Geschichte
„Wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie“ hieß es trotzig in der ersten taz. Unter dem Eindruck der „Nachrichtensperre“ und zur Stärkung der so genannten „Gegenöffentlichkeit“ gründete eine Handvoll junger Leute die alternative Tageszeitung taz. Ihr wichtigstes Kapital: 7000 Unterstützer*innen, die im Vorfeld eine Zeitung abonniert hatten, die es noch gar nicht gab.
1977
++ DEUTSCHER HERBST ++

„Deutscher Herbst“, „bleierne Zeit“: Der Staat durchkämmt die Republik nach RAF-Terroristen, verhängt eine Nachrichten- und Kontaktsperre. Die Medien berichten nur noch, was der Bonner Krisenstab will. Die Linke diskutiert das Projekt Tageszeitung.

1978
++ STARTSCHUSS ++

Das Projekt Tageszeitung nimmt konkrete Form an. Im Januar wird es auf dem Tunix-Kongress in der Technischen Universität von Berlin diskutiert. Bis Ende des Jahres bilden sich in 30 Städten so genannte TZ-Initiativgruppen.

1979
++ STARTSCHUSS + MOBILISIERUNG++

Das taz-Kollektiv bezieht die Wattstraße 11/12 im Berliner Wedding. Ab dem 17. April erscheint die taz täglich. Im Juni fordern „Besucher, Verwandte und Freunde politischer Gefangener“ eine engagiertere Berichterstattung. Ein Polizist fragt: „Sie sind besetzt? Wie darf ich das verstehen?“

Beispielhafte Mobilisierung gegen den Atomstaat: Die taz druckt die Route eines Sternmarsches nach Hannover auf der Titelseite, Zukunftsforscher Robert Jungk schreibt den Aufmacher, schließlich demonstrieren 140.000 Menschen gegen das geplante Endlager im Wendland.

1980
++ SOLIDARITÄT ++

Solidarität mit den Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt: Die taz beginnt mit ihrer Spendenaktion „Waffen für El Salvador“. Ergebnis nach zwölf Jahren: 4.737.755 Mark und 10 Pfennige. Aus Nicaragua berichten vier KorrespondentInnen.

1981
++ SACHSCHADEN ++

Die hundertste Hausbesetzung in Berlin. Die taz ruft zu einem – sie teuer zu stehen kommenden – Mietboykott der „Neuen Heimat“ auf. Im November erscheint das dritte taz Besetzerjournal: „Sachschaden“.

1982
++ GENERALSTREIK ++

Solidarnosc ruft zum Generalstreik in Polen auf. Die kommunistische Regierung verhängt den Ausnahmezustand. Grundnahrungsmittel werden knapp. Die taz schleust einen Mitarbeiter auf der Leninwerft in Gdansk ein. Ein Jahr später wird in Deutschland für den Volkszählungsboykott mobilisiert. Die taz berichtet ausführlich über den Überwachungsstaat.

1984
++ FINANZKRISE ++

Das „Orwell-Jahr 1984“ wird in der taz zu einer Zäsur besonderer Art. Die erste schwere Finanzkrise führt zu Kürzungen der ohnehin geringen Löhne. Das Defizit aus dem Vorjahr beläuft sich auf 105.000 Mark.

1985
++ REDAKTIONSSYSTEM ++

Die taz installiert das für damalige Tageszeitungen modernste Redaktionssystem. Schon bei der Gründung 1979 ist auf Bleisatz verzichtet worden. Die Säzzerbemerkungen werden seltener.

1986
++ SUPER-GAU ++

Ein Reaktorblock im AKW Tschernobyl brennt durch, eine radioaktive Wolke überzieht Europa. Die DDR und die westdeutsche Atomlobby verniedlichen die Katastrophe. Bei den Grünen kommt es zu Masseneintritten, die Auflage der taz schnellt von 22.000 auf 36.000 Abonnements hoch.

1986
++ TERROR ++

Ein Brief der Brüder von Gerold von Braunmühl, den die RAF ermordete, ist der taz eine Titelseite wert. „Ein unheimliches
Dokument geschwächter sozialer Instinkte“, kommentiert die Welt. Vorwürfe der Brüder an die Bundesregierung wegen der Antiterrorgesetze machen den Hardlinern in Bonn zu schaffen.

1987
++ DICHTER-TAZ ++

750-Jahr-Feier in Ostberlin. Die taz fälscht das SED-Zentralorgan Neues Deutschland und verbreitet es in der Bundesrepublik. Viele Voraussagen erfüllen sich später: McDonald’s in Leipzig, Hanfanbau in Brandenburg. Zur Frankfurter Buchmesse produzieren Schriftsteller eine Dichter-taz.

1988
++ FRAUENPROTEST ++

taz-Frauen streiken wegen einer „Porno-Seite“, auf der unter anderem eine Banane als Phallussymbol dargestellt war. Den ersten Frauenprotest gab es acht Jahre zuvor wegen eines sexistischen Artikels und eines „SM-Comics“. Das Plenum beschloss daraufhin eine bis heute geltende Frauenquote.

1989
++ UMZUG ++

Die taz zieht ins Berliner Zeitungsviertel. Vis-à-vis zum Axel-Springer-Hochhaus und zum Checkpoint Charlie gehört ihr nun ein Bürohaus.

1989
++ OST-TAZ ++

Als am 9. November die Mauer fällt werden Einzelexemplare der taz sofort exportiert. Vier Monate später gibt es die Ost-taz als erste bundesdeutsche Zeitung flächendeckend in der DDR – produziert von DDR-KollegInnen. Die Gesamtauflage explodiert auf 100.000 Exemplare.

1990
++ HEIMAT ++

„Heimatkunde DDR“: Die taz veröffentlicht eine Liste mit 9.251 Stasi-Adressen konspirativer Objekte und löst eine bundesweite Debatte aus. Später – als sie nicht mehr für die taz arbeiten – räumen unter anderem Jürgen Kuttner sowie Exterrorist Till Meyer ein, an die Stasi Berichte geliefert oder mit ihr lange Jahre Kontakt gepflegt zu haben.

1991
++ GENOSSENSCHAFT ++

Der Verein der Freunde der alternativen Tageszeitung e. V. ist tot, die Genossenschaft lebt. Die taz reagiert damit auf den Wegfall der millionenschweren Berlinförderung. 2.000 LeserInnen zeichnen für 3 Millionen Mark Genossenschaftsanteile und retten die taz aus der aktuellen Finanzkrise. Inzwischen sichern rund 19.400 Genossenschaftsmitglieder mit einem Gesamtkapital von 19 Mio. Euro die publizistische und ökonomische Unabhängigkeit der taz.

1992
++ KAMPAGNE ++

„Keine taz mehr? Ohne mich!“ Der Spruch der anschließenden und extrem erfolgreichen Abokampagne stammt nicht von einer teuren Werbeagentur, sondern von einem Leser.

1993
++ SYMBOLE ++

Kampf um Symbole: Der ovale Redaktionstisch der taz diente 1969 dem Sozialistischen Anwaltskollektiv, dann der Kommune 1 und später dem Sozialistischen Zentrum. HausbesetzerInnen klauten ihn 1990 aus der taz. Seitdem ist er verschollen.

1994
++ CD-ARCHIV ++

Die taz hat eine neue Geldquelle entdeckt, sie brennt jetzt Silberlinge: Auf der ersten CD-ROM sind die Ausgaben von 6 Jahren archiviert, inzwischen steht das gesamte taz-Archiv mit den seit 1986 gespeicherten Texten online. Auch im Internet ist die taz ganz weit voraus: Als erste deutsche Tageszeitung stellt sie ihre aktuellen redaktionellen Texte komplett ins Internet. Adresse taz.de

1995
++ PANDA ++ NIVEAU ++

Berlins Regierender Bürgermeister zahlt ausgesuchten Journalisten Reisekosten, damit sie über ihn und einen Pandabären in Peking berichten. Die taz klagt erfolgreich wegen einer Benachteiligung. Im gleichen Jahr starten die taz und die linke Schweizer Wochenzeitung WOZ die deutschsprachige Ausgabe von Le Monde diplomatique. Sie erscheint monatlich als Beilage der taz, ist aber auch im eigenständigen Abo erhältlich.

1996
++ WITZ ++

Zum 17. Geburtstag der taz produzieren Karikaturisten die aktuelle Ausgabe. Die Zeitung ist von Flensburg bis Passau bereits am frühen Morgen ausverkauft.

1997
++ TAZ-INIS ++

Das taz-Journal „20 Jahre Deutscher Herbst“ ist der Verkaufsschlager im Herbst 1997. 28.500 Exemplare werden verkauft und bringen einen Nettogewinn von 140.000 DM.

1997
++ TAZ-INIS ++

Nachwuchs! In Bochum und Münster haben sich taz-Inis gegründet. Ab Juli 2006 erscheinen taz köln und ruhr als gemeinsames Produkt. Aber schon zwölf Monate später muss der unrettbar defizitäre Regionalteil eingestellt werden.

2000
++ KAMPAGNE ++

taz muss sein!“ 1607 Prominente vom Dalai Lama bis zu Harald Schmidt beken­nen sich zur finanziell Not leidenden taz. Die GenossInnen drücken ihr Bekennt­nis in barer Münze aus: in nur 3 Monaten zeichnen sie Einlagen in Höhe von 1,2 Millionen DM.

2001
++ JUBILÄUM++

Wie wollen wir leben? Zum Geburtstag schenkt sich die taz eine „begehbare Wochenendausgabe“. Drei Tage lang diskutieren 3.000 LeserInnen auf dem taz-Kongress in mehr als 40 Einzelveranstaltungen.

2003
++ GRÜNDUNG ++

Schon wieder Gründungsfieber! Am 17. April 2003 wird die taz Entwicklungs GmbH & Co. Medien KG gegründet. Das vornehme Unternehmensziel der Kommanditgesellschaft: die Weiterentwicklung von taz nrw, taz nord, Le Monde diplomatique und der digitaz. Bis zum 10. November 2005 zeichnen 353 Investoren ein Gesamtkapital von 2.967.500 €.

2004
++ GEBURTSTAG ++

„Die taz wird 50“, titelt die taz am 17. April 2004. Zum 25. Geburtstag schaut die Redaktion in die Zukunft. Mit einem einmaligen Layout, mit Themen, wie sie die taz in einem Vierteljahrhundert denkt. Mit fast 200.000 E Gewinn ist diese Sonderausgabe aufgrund der vielen Anzeigen die finanziell erfolgreichste der taz-Geschichte.

Zum 15. Jahrestag des Mauerfalls übernehmen Politiker, Wissenschaftler und Publizisten das Ruder der taz, die eins gemein haben: eine Ostbiografie. Markus Meckel, Wolfgang Thierse und Sybill Klotz sind nur drei von fünfzig AutorInnen und GastredakteurInnen dieses Tages.

2007
++ TAZ-ONLINE ++

„Online first“ heißt es nun auch in der taz. Unter „taz.de“ sind die wichtigsten Texte der Printausgabe schon am Vortag abrufbar. Die deutsche Le Monde diplomatique verkauft den zweiten „Atlas der Globalisierung“ mehr als 130.000-mal und startet mit dem Themenheft „China“ eine neue Schriftenreihe „Edition LMd“.

2008
++ DER LANGE MARSCH ++

Auch das CDU-Bürgerbegehren hat es schließlich nicht mehr verhindern können: Die Berliner Kochstraße, Verlagssitz der taz, heißt nun Rudi-Dutschke-Straße und trifft genau dort auf die Axel-Springer-Straße, wo das „Springer Hochhaus“ steht. Die Idee zu dieser historischen Straßenumbenennung hatte Thilo Knott, damals taz-Redakteur für „besondere Aufgaben“. Sic!

2009
++ STIFTUNG ++

Die neue gemeinnützige taz Panter Stiftung nimmt mit einem ersten Workshop für junge JournalistInnen ihre Arbeit auf. Inzwischen wurden von etwa 5.000 SpenderInnen 141 Projekte mit über 1.000 TeilnehmerInnen im In-und Ausland finanziert.

2011
++ TAZ.ZAHL ICH ++ KONTEXT ++

Information bleibt ein teures Gut. Die taz ruft deshalb mit der „Aktion taz.zahl ich“ dazu auf, freiwillig für die Nutzung von taz.de zu zahlen. Mittlerweile gibt es 18.200 taz.zahl-ich-UnterstützerInnen. Dem Protest gegen „Stuttgart 21“ sei Dank: Kontext … wöchentlich in der taz.

2012
++ ZEOZWEI ++

Die taz-Familie bekommt Zuwachs: zeozwei, das Magazin für Klimapolitik und Klimakultur, will die diskursive Plattform einer wachsenden Bewegung für eine sozialökologische Transformation sein. Heute heißt das Heft FUTURZWEI.

2014
++ TAZ NEUBAU ++

Die taz baut ein Haus. Der Aufruf „Wir bleiben. Kommen Sie mit?“ mobilisiert die Genossenschaft wie nie zuvor: Mit Zeichnungen und stillen Beteiligungen tragen die Mitglieder binnen weniger Wochen 7 Millionen Euro zur Finanzierung des Neubaus bei. Der Umzug fand im Herbst 2018 statt.

2015
++ TAZ PANTER BRÄU ++

Das „Rote Lager für das linke Lager“ ist naturtrüb und süffig. Es wurde bei einer Blindverkostung basisdemokratisch ausgewählt und in einem Berliner Hinterhof von Hand gebraut. Das Panter Bräu ist wie die taz – ein Genussmittel.

2017
++ TAZ GAZETE ++

Menschenrechte, Gewaltenteilung und Pressefreiheit sind in der Türkei außer Kraft gesetzt. Tausende von Menschen sind inhaftiert, u. a. auch über 150 JournalistInnen. Einer von ihnen war unser ehemaliger Kollege Deniz Yücel. Die taz Panter Stiftung bringt das deutsch-türkische Onlineportal taz gazete auf den Weg, um die Zivilgesellschaft in der Türkei zu stärken.

2018
++ STRATEGIE 2022 ++

Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch veröffentlicht ein Szenario: 2022 gibt es keine auf Papier erscheinende tägliche taz mehr. Diese Vision erzielt ein großes öffentliches Interesse und innerhalb der taz machen sich Produktentwickler mit Hochdruck an die Arbeit: Wie wird die Zukunft der taz im digitalen Zeitalter aussehen?

2019
++ GENERATIONSWECHSEL ++

Im Februar wird ein neuer Geschäftsführer bestellt. Nach 40 Jahren löst Andreas Marggraf Karl-Heinz Ruch ab. Nachdem die ersten Gründungstazler aus Redaktion und Verlag in Rente gegangen sind (Stichwort Marathonfonds) hat der Generationswechsel in der taz jetzt auch die Geschäftsführung erreicht.